Freitag, 30. März 2018

Wann Beratung ankommt und wann nicht

Auszug aus dem Vortrag über die Forschungen, wann Therapie gelingt:Was unterscheidet sogenannte erfolgreiche Klienten von den weniger oder nicht erfolgreichen Klienten?

Die Vorannahme dabei lautete, dass die zentrale Ursache für Erfolg oder Misserfolg der Therapie beim Therapeuten liege: Je einfühlsamer, authentischer usw. der Therapeut, desto erfolgreicher die Therapie. Folgerichtig konzentrierten die Wissenschaftler sich beim Abhören der Aufnahme zunächst auf die Therapeuten. Allerdings konnten sie bei der Analyse keine signifikanten Unterschiede zwischen den Therapeuten feststellen.

Anschließend hörten die Forscher den Klienten zu und machten eine faszinierende Entdeckung: Diesmal fanden sie Unterschiede zwischen den erfolgreichen und erfolglosen Therapien, und zwar schon in der ersten oder zweiten Therapiesitzung. Vermutlich sind Sie, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, jetzt auch schon dabei, anhand Ihrer eigenen rfahrungen Vermutungen darüber anzustellen, was wohl das Ergebnis dieser Untersuchung sein könnte. Was das Ganze noch spannender macht: Die Wissenschaftler konnten schon beim Anhören jedes beliebigen Erst- und Zweitgesprächs vorhersagen, wie die übereinstimmende Bewertung durch den Klienten selbst, durch den Therapeuten und durch den Test letztendlich ausfallen würde.

Was die Forscher bei den erfolgreichen Klienten fanden, war Folgendes:
Diese verlangsamten immer wieder ihr Sprechtempo, drückten sich weniger klar aus und begannen nach Worten zu suchen, um das zu beschreiben, was sie eben erlebten. Auf den Bändern hörte sich das etwa so an: „ Hmm, ja, ... da ist Ärger ... hm, nein, ich bin wütend – ja das ist es, ich bin wütend!“ Das war ein gewisses Aha-Erlebnis. Die Klienten waren hörbar erleichtert, wenn sie etwa formulierten: Ja, ich bin wütend.
Die erfolgreichen Klienten drückten sich, sprachen sie von ihrem Erleben, immer wieder vage suchend aus: „ ... Das ist so wie ... hm ...“; sie hatten mehr Sprechpausen, Zeiten der Stille, und konnten nach diesem Innehalten etwas Genaueres, Neues formulieren. Sie lokalisierten Empfindungen im Körper: „Hier im Brustraum drückt es“, oder: „Dazu habe ich ein komisches Gefühl im Bauch“, oder: „Da bekomme ich einen Kloß im Hals“
 Die erfolgreichen Klienten nahmen zu ihrem gegenwärtigen Erleben Beziehung auf und versuchten dieses Erleben bildhaft, sprachlich und gestisch zu symbolisieren. Sie traten in eine empathische Beziehung zu sich selbst, und sie bezogen sich direkt auf ihr Erleben.

Dagegen drückten sich die erfolglosen Klienten die ganze Therapiestunde über klar aus. Sie sprachen nicht vonKörperempfindungen und auch nicht von Gefühlen, die sich während der Sitzung  wandelten. Sie konnten ihre Probleme analysieren oder auch weinen – im Endeffekt veränderte sich aber kaum etwas. Diese Klienten sprechen „über“ etwas, jedoch nicht „aus etwas heraus“, sie finden keine Stimme, die aus ihrem Herzen oder ihrem Bauch kommt und ein irrationales Echo in den Gefühlen auslöst. Was das Überflutet werden von Gefühlen angeht, tritt bei einer erfolglosen Therapie der gleiche Effekt ein andauerndes Weinen oder anderweitiges Ausagieren von Gefühlen verhindert die direkte Beziehung des Klienten zu seinen Gefühlen. Ein Veränderungsprozess wird dabei nicht in Gang gesetzt, auch wenn die damit verbundene Action möglicherweise für den Therapeuten spannend sein mag.

Erfolgreiche Klienten können eine fühlende und empathische Beziehung zu ihrem Erleben herstellen. Sie treten mit ihren inneren Vorgängen unmittelbar in Kontakt. Als „Ich „ können sie ihrem Erleben gegenübertreten und Intensität, Nähe und Distanz zu ihrem Problem regulieren: „Ich spüre mich ...“, „Ich nehme bei mir wahr ...“. Erfolgreiche Klienten haben ein „Ich mit mir“, eine annehmende, interessierte Beziehung zu sich selbst. Sie können einen Abstand zu ihrem Problem finden, einen inneren Freiraum schaffen, von dem aus sie eine realistische Chance haben, das Problem erfolgreich zu bearbeiten. Sie geraten also weder in die Gefahr, kopfüber in ihr Problem hineinzustürzen, noch gehen sie erlebnismäßig so weit auf Distanz, dass nur noch ein analysierend-reflektierendes Sprechen darüber möglich ist.Um diesen ausgewogenen erlebnismäßigen Kontakt zu sich selbst und zu dem Problem aufrechtzuerhalten,
- nutzen und vertrauen die erfolgreichen Klienten ihren körperlichen Empfindungen,
- nutzen und vertrauen die erfolgreichen Klienten ihren körperlichen Empfindungen,
- orientieren sie sich an spontan aufsteigenden inneren Wahrnehmungen, wie Bildern, Körperempfindungen, vagen Ahnungen und Körperimpulsen, nutzen sie die Symbolkraft ihrer Träume.

Das „Geheimnis“ des erfolgreichen Veränderungsprozesses besteht also in der Fähigkeit des Klienten, eine optimale Balance und Beziehung zu seinem inneren Erleben herzustellen und konstruktiv aufrechtzuerhalten, ... um von dort aus neue Informationen, kreative Einsichten,
bedeutsame Einstellungsveränderungen usw. auftauchen zu lassen. Nicht was ein Klient über sein
Problem im Kopf hat und sprachlich bereits „weiß“, auch nicht, was der Therapeut „über“ dieses Erleben zu wissen glaubt, scheint entscheidend für den Veränderungsprozess zu sein. Sondern die erlebnishafte Kontaktaufnahme mit einem vorsprachlichen, körperlich spürbaren Fühlen/Wisse
n von „etwas“, das sich sodann, wenn es sich weiter ungestört entfalten kann, in einem tiefgreifenden Aha-Erlebnis selbst erklärt und versteht. Geht der Kontakt zu diesen unmittelbaren körperlichen Erfahrungen verloren, stockt auch der therapeutische Prozess.
Quelle:
 https://www.lptw.de/archiv/vortrag/2010/renn-achtsamkeit-und-psychotherapie-focusing-lindauer-psychotherapiewochen2010.pdf

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